© WasteReduction – Albania 2022

#01 Unsere Welt hat den (unsichtbaren) Plastic-Pain

21. Juni 2023

Wir alle kennen diese schockierenden Bilder von Tieren, die sich im Plastikmüll verfangen haben, von toten Walen mit Mägen voller Plastikmüll oder den schwimmenden Müllstrudeln.

Weshalb ist die sichtbare Plastikkrise nur ein kleiner Teil des Problems?

Doch das Problem ist viel größer als das, was wir sehen. Denn nur ein winziger Teil des Plastiks schwimmt an der Oberfläche. Mehr als 99% des Plastikmülls, der ins Meer gelangt, sinkt in tiefere Schichten ab [1] und kann auf Grund von fehlenden technischen und finanziellen Mitteln wahrscheinlich nie wieder entfernt werden.

 

 

Reportagen und Organisationen, die sich nur auf schwimmenden Plastikmüll beziehen, zeichnen daher ein zu harmloses Bild vom tatsächlichen Ausmaß der aktuellen Plastikmüll-Situation. Die Faktenlage ist viel dünner, Wissenschaftler wissen heute noch nicht einmal mit Bestimmtheit, wo im Meer der abgesunkene wilde Plastikmüll landet. Doch auch der gesamte Plastikmüll im Meer ist nur die Spitze des Eisbergs der Umweltkatastrophe: Von dem Plastik, das in der Natur entsorgt wird oder auf Deponien endet, landet wenig in den Gewässern und noch weniger findet den Weg ins Meer.

 

 

Warum ist der unsichtbare Teil so relevant?

Plastik, das einmal in die Natur gelangt ist, verschwindet nicht einfach. Es zerfällt (degradiert) lediglich in immer kleinere Stücke und gibt dabei chemische Bestandteile frei. Bei Plastikpartikeln, die wenige Millimeter bis ein Mikrometer groß sind, spricht man von Mikroplastik. Noch kleinere Teile bis zur Größe eines Nanometers werden Nanoplastik genannt und sind in ihrer Größe vergleichbar mit Viren oder Molekülen (wie zum Beispiel unsere DNA). [2]

 

Manche Tierarten, wie Schildkröten, verwechseln Plastikteile mit Nahrung. Wale zum Beispiel, filtern sie unabsichtlich aus dem Wasser. Weil sich Plastik nicht verdauen lässt, blockiert es in den schlimmsten Fällen die betreffenden Organe und führt dazu, dass Tiere mit vollen Mägen verhungern. Es wurde nachgewiesen, dass so Plastikpartikel und chemische „Zutaten“ des Kunststoffs (mehr dazu später) in die Nahrungskette gelangen. [3] Insbesondere Nanoplastik kann Barrieren im Körper überwinden und sich so in den Tierkörpern anreichern. Auch Pflanzen können schädliche Chemikalien der Kunststoffe aufnehmen und in den Lebensmittelkreislauf transportieren. [4] Es ist besorgniserregend, dass Mikroplastik mittlerweile an den entlegensten Orten der Welt gefunden wird. 

 

Eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass kleine Plastikpartikel dem Wasserkreislauf unterliegen und durch Wind, der vom Meer kommt, in hoher Konzentration transportiert werden können. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Plastikteilchen durch Verdunstung und Gischt in die Luft gelangen und – ähnlich wie biologische Schwebeteilchen oder Bakterien aus dem Meer – riesige Distanzen zurücklegen können. [5] “Wildes” Plastik verteilt sich auf der ganzen Welt und belastet zunehmend alle Ökosysteme unseres Planeten.

 

Welche Maßnahmen gegen wildes Plastik sind nachhaltig und effektiv?

Da nur so wenig Plastikmüll an der Oberfläche schwimmt, wird schnell klar, dass große Schiffe, die Plastikmüll aus den oberen Meeresschichten fischen, nur an der Spitze des Eisbergs kratzen. Da sich die fünf größten Müllstrudel weit vom Land entfernt befinden, verbrauchen die Schiffe nicht nur für ihren Betrieb, sondern auch den Transport des Mülls zum Ufer große Mengen an Treibstoff. Das gesammelte Material ist zudem durch UV-Strahlung, Meerwasser und Algenbewuchs so stark beschädigt, dass es nicht mehr sinnvoll recycelbar ist.


Weil wir also nur mit sehr hohen Kosten und einer schlechten Klimabilanz einen winzigen Teil des Plastikmülls wieder aus dem Meer fischen können, ist es so wichtig, dass Plastikmüll erst gar nicht in die Gewässer gelangt. Das ist eine große Herausforderung, da laut der UN-Umweltorganisation UNEP weltweit etwa 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer funktionierenden Abfallentsorgung haben. [6]


Wie dies zum großen Umweltproblem führt, fasst der WWF zusammen: „In Schwellen- und Entwicklungsländern werden deutlich weniger als 50 Prozent der Abfälle eingesammelt, in vielen ländlichen Regionen noch viel weniger. Grund dafür ist vor allem, dass die Müllsammlung, Entsorgung und das Recycling oft aufgrund fehlender Mittel nicht öffentlich finanziert werden kann und sich auch Unternehmen nicht an der Finanzierung beteiligen.” [7] Dies führt dazu, dass ein Großteil der Bevölkerung in diesen Ländern Müll nicht vernünftig entsorgen kann, weshalb “[…] sich der Müll an Land türmt und vor allem in Südostasien massenhaft, vor allem über Flüsse, ins Meer gespült wird“, folgert der WWF.


Es gibt deshalb heute keine sinnvollere und effektivere Lösung, als Plastikmüll von Haushalten einzusammeln, ihn zu trennen und bestmöglich zu verwerten. Selbst wenn der Umstieg auf ein alternatives Material gelänge, wären Müllabholungen trotzdem unerlässlich, um Ressourcen zu recyceln. Der Schutz der Meere gelingt also am effektivsten an Land, da, wo Kunststoffprodukte zu Plastikmüll werden.

© Partner Lulzim Baumann, RecycAl ltd.

Wie lindert WasteReduction den Plastic Pain ganzheitlich?

Durch unsere Kunststoffkompensation investieren wir in Müllabholungen und verbessertes Abfallmanagement und fördern dadurch Recycling, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern. 


Zusätzlich unterstützen wir Clean-ups, um Bewusstsein für das Problem zu schaffen. Allerdings sind diese Aktionen allein keine langfristige Lösung. Deshalb engagieren wir uns hauptsächlich für die Prävention von Plastikmüllverschmutzung.


Doch es gibt nicht nur in Entwicklungsländern dringenden Handlungsbedarf. Auch in unserer eigenen Umgebung ist immer mehr Müll in der Natur zu finden. Im Grunde mangelt es hier nicht an Möglichkeiten, Müll zu entsorgen, sondern an Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein. In unserem Workshop „Be Plastic Smart“, begeistern wir deshalb Kinder und Jugendliche für den richtigen Umgang mit Müll. Wir vermitteln auch, was eine Ökobilanz ist,wie man respektvoll mit Ressourcen umgeht und bewusst konsumiert. Dies schont nicht nur die Umwelt, sondern fördert auch ein besseres Miteinander.


In unseren anderen Beiträgen erklären wir, woher der Plastikmüll im Meer stammt, wie er dorthin gelangt, warum Unternehmen nicht einfach auf Plastik verzichten und wer hinter WasteReduction steht. 

Weshalb und wie viel Plastikmüll ins Meer gelangt, erfahrt ihr im nächsten Blogbeitrag: #02 Woher kommt der Plastikmüll im Meer?

Von: Martin

Martin hat sich als Umweltschützer, Ingenieur, und ausgebildeter Werkzeugmechaniker tief in das globale Problem von Plastikmüll in der Natur eingefuchst.

Keywords:

Plastikkrise, Plastic-Pain, Plastikmüll, Meer, Mikroplastik, Umwelt, Plastik, Konsum, Umweltverschmutzung, Abfallentsorgung, Waste Reduction, Plastikkompensation, Plastikneutral+

Quellen:

[1] Van Sebille, Erik, Charikleia Spathi, and Alyssa Gilbert. „The ocean plastic pollution challenge: towards solutions in the UK.“ Grant. Brief. Pap 19 (2016): 1-16.

[2]  DaNa4.0 vom Deutsches Bundesministerium für Bildung und Forschung, “Nanoplastic in the environment”, https://nanopartikel.info/en/basics/cross-cutting/nanoplastic-in-the-environment/ , abgerufen am 22.06.2023

[3] Roman, Lauren, et al. „Plastic, nutrition and pollution; relationships between ingested plastic and metal concentrations in the livers of two Pachyptila seabirds.“ Scientific Reports 10.1 (2020): 1-14.

[4] Wu, Xiaolian, et al. „Particulate plastics-plant interaction in soil and its implications: A review.“ Science of the Total Environment792 (2021): 148337.

[5] Allen, Steve, et al. „Examination of the ocean as a source for atmospheric microplastics.“ PloS one 15.5 (2020): e0232746.

[6] Wilson, D.C.; Rodic, L.; Modak, P.; Soos, R.; Carpintero Rogero, A.; Velis, C.; Iyer, M.; Simonett, O. Global Waste Management Outlook; 2015; Prepared for United Nations Environment Programme (UNEP) and International Solid Waste Association (ISWA).

[7]  WWF: Plastikmüll im Meer – die wichtigsten Antworten; https://www.wwf.de/themen-projekte/plastik/unsere-ozeane-versinken-im-plastikmuell/plastikmuell-im-meer-die-wichtigsten-antworten , abgeruften am 12 .06.23.